Gastkommentar in der Geislinger Zeitung: Wilde Zahlen
Ich halte die Ergebnisse der beiden Gutachter bezüglich des Großen Verkehrsvertrages zwischen dem Land Baden-Württemberg und der DB AG für nicht belastbar. Gastkommentar von der CDU-Landtagsabgeordneten Nicole Razavi.
Weder die KCW noch die Märkische Revision hatten Einblick in die Zahlen der Deutschen Bahn AG. Sie konnten die tatsächlichen Zahlen deshalb auch nicht in die Berechnungen einbeziehen und berufen sich daher auf reine Annahmen. Die KCW beispielsweise hat auch nur das Jahr 2012 versucht zu analysieren. Gemessen an der Vertragslaufzeit von 2003 bis 2016 ist ihre Analyse also relativ wertlos. Den Vorwurf, das Land habe zwischen 700 Millionen Euro und einer Milliarde Euro zu viel an die DB AG bezahlt, zweifele ich aus diesen Gründen stark an. Alleine die große Spanne dieser Summen zeigt, wie spekulativ sie sind. Verkehrsminister Winfried Hermann streut hier wilde Zahlen, die er nicht belegen kann. Aus meiner Sicht ist das ein reines Ablenkungsmanöver, das ein Jahr vor der Landtagswahl von den eigenen Versäumnissen bei den SPNV-Ausschreibungen ablenken soll.
Leider schreckt Verkehrsminister Winfried Hermann erneut nicht davor zurück, zwei alte Bekannte als Gutachter zu beauftragen. Sowohl die KCW wie auch die Märkische Revision waren schon im Rahmen der Schlichtung zu Stuttgart 21 für die Grünen und die Projektgegner tätig. Zudem wurde die KCW in den vergangenen Jahren mehrfach auf höchst zweifelhaften Wegen vom Minister beauftragt und bezahlt. Wie und warum kamen denn gerade diese beiden Gutachter erneut zu diesen lukrativen Aufträgen und wurden sie überhaupt ausgeschrieben oder direkt an die KCW und die Märkische Revision vergeben? Das alles riecht schon sehr nach Gefälligkeitsgutachten. Hier geht es auch um Glaubwürdigkeit. Wenn Minister Hermann allerdings diesen Zahlen glaubt, muss er in logischer Konsequenz alle Zahlungen an die DB AG sofort einstellen und gegen die Bahn vor Gericht ziehen. Dazu müsste er aber in der Lage sein, seine Vorwürfe zu beweisen. Ist er dies nicht, muss er seine Behauptungen umgehend zurücknehmen.
Bezogen auf die sogenannte Doppelte Dynamisierung – die doppelte Abrechnung von Kostensteigerungen – in Höhe von bis zu 140 Millionen Euro haben wir immer gesagt, dass dieser Anspruch der DB AG durch den Großen Verkehrsvertrag nicht gedeckt ist. Ob die DB AG hier dann gegebenenfalls zu einer Rückzahlung verpflichtet ist, muss im Zweifel juristisch geklärt.
Zum Hintergrund: Seit 1996 sind die Länder Aufgabenträger für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV). Das Land schreibt also die Strecken aus und beauftragt die Verkehrsunternehmen. Diese werden dann über sogenannte Regionalisierungsmittel, die die Länder vom Bund erhalten, bezahlt. Der große Verkehrsvertrag mit der DB AG umfasst mehr als 50 Prozent der Zug-Kilometer im Land. Er läuft 2016 aus. Ziel für die Zukunft muss es sein, auf den Strecken beste Leistungen fürs Geld zu bekommen. Bedauerlicherweise gab es erhebliche Verzögerungen bei den Ausschreibungen, die nicht mehr aufholbar sind.